Aktuelles

Schatz-Stücke

Der Löwenstoff - Ein Beitrag von Mechtild Weigand

Löwe nach rechts schreitend

Erkennen Sie die beiden Löwen?

Das zweiten Löwenpaar

Mechtild Weigand

„Ein Beispiel für die Textilfertigung byzantinischer Werkstätten ist der kostbare Löwenstoff aus dem 12. Jahrhundert.

Es ist ein dreifarbig gemustertes Seidengewebe in einer Samitbindung. Samit ist die früheste und häufigste Art der Seidenweberei. Das Seidengewebe besteht aus zwei Kettfäden – im Webrahmen längs gespannt – und zwei bis vier Schussfäden. Das sind die im Webrahmen quer ‚geschossenen‘ Fäden. Die auf der Gewebeoberfläche unsichtbaren Kettfäden trennen die Schussfäden und führen diese an die Oberfläche, wodurch ein Muster entsteht; hier sind es vier Löwen.

Das Material ist Seide, man gewinnt diese aus dem Kokon des Maulbeerspinners, einer Schmetterlingsart. Die Herstellung wurde im alten China entwickelt und lange Zeit als Geheimnis gehütet. Das kostbare Material kam über die sogenannte ‚Seidenstraße‘ in den Westen. Seit dem 6. Jahrhundert konnte Seide auch in Byzanz hergestellt werden. Es entfaltete sich hier eine umfangreiche Produktion in den kaiserlichen Manufakturen.

Die Farben, wie z. B. Purpur (Rot), wurden aus dem Saft einer Meeresschnecke gewonnen. Sie galt seit der Antike als kostbare ‚Kaiserfarbe‘. Bei unserem Löwenstoff ist Purpur die Farbe im Hintergrund, wodurch vier große Löwen, streng ornamental entworfen, in den Vordergrund rücken. Das Motiv von zwei aufeinander zu schreitenden Löwenmännchen ist durch Einschüsse von Gold schimmernden Seidenfäden entstanden. Durch dieses majestätische Erscheinungsbild strahlt der Xantener Löwenstoff einer zeremoniellen Charakter aus.

Das Löwenmotiv ist ein Herrschermotiv der Antike. Als Beispiele sind hier zu nennen: Die Sphinx mit einem Löwenkörper für die Pharaonen Ägyptens oder schreitende Löwen an dem Thronbaldachin des Dareios aus Persepolis.

Der Nutzen derart kostbarer Gewebe lag in der Ausschmückung fürstlicher Gemächer und Grabstätten, der Herstellung von Prunkgewändern oder Paramenten, also liturgischer Textilien.

Der Löwenstoff aus dem 12. Jahrhundert gehört zu den frühen Einzelstücken innerhalb der Xantener Paramente und diente höchstwahrscheinlich als Reliquienhülle im Viktorschrein. Reliquien wurden im allgemeinen innerhalb des Schreins verhüllt oder in Päckchen oder Beuteln aus edlem Gewebe verschnürt.“