Ich liebe Gotik, nicht nur des Xantener Doms wegen. So ist es nicht verwunderlich, dass ich in Raum 6 besonders die Turmmonstranz in mein Herz geschlossen habe.
Sie wurde in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts im Rheinland geschaffen – mitten in der Zeit der Gotik, die bei uns vom 13. bis zum 15. Jahrhundert datiert wird.
Auch als Laie ist sie sofort als „gotisch“ zu erkennen; denn sie ist dem Baustil gotischer Kathedralen nachempfunden – d.h. schlank und hoch aufstrebend.
Bei dieser Turmmonstranz handelt es sich um eine der ältesten erhaltenen in Europa. Die Form ähnlich der eines „Turmes“ soll darauf hinweisen, dass Christus all denen eine feste Burg sei, die auf ihn vertrauen. Warum kamen gerade in dieser Zeit erstmals Monstranzen auf?
Das liegt daran, weil 1264 von Papst Urban IV. ein neues kirchliches Fest eingeführt wurde - das Fronleichnamsfest (althochdeutsch: „fron“ = Herr, „lichnam“ = Leib), also: „Fest des heiligsten Leibes und Blutes Christi“. Seither wird es immer am 60. Tag nach Ostern gefeiert.
Die Hostie - auf den ersten Blick nur eine kleine unscheinbare Oblate - doch für gläubige Christen wird sie durch die Wandlung im Gottesdienst zum „Leib Christi“. Für diese Hostie brauchte man nun natürlich ein repräsentatives Behältnis – eine Monstranz.
Der Begriff „Monstranz“ leitet sich ab vom lateinischen „monstrare“ (schauen, zeigen). Die Monstranz besteht aus einem Fuß, einem Schaft mit Tragknauf (Nodus) sowie dem Schaugehäuse, in dem die größere Hostie dem Publikum sichtbar zur Anbetung exponiert oder in Prozession herumgetragen wird.
Das Allerheiligste befindet sich hier unter Glas in einer halbmondförmigen Gabel (Lunula), die aus Silber und vergoldet ist. Das Material schreiben Weisungen der Kirche vor.
Unsere Monstranz ist besonders reichhaltig und kunstvoll ausgestaltet. So besticht sie besonders durch Bergkristallzylinder, Emailschmuck, farbige Steine und zahlreiche figürliche Darstellungen. Den oberen Abschluss der Monstranz bildet ein Astkruzifix. Fasziniert bin ich auch von den Schräubchen unterhalb des Schaugehäuses, die filigran gearbeitet, als Löwenköpfchen kaum zu erkennen sind – schade eigentlich!
Im Schaugefäß sind die Wappen und Namen zweier Brüder eingraviert. Einer der beiden war wohl Xantener Kanoniker und hat dieses wunderbare Exemplar vielleicht dem Stift testamentarisch vermacht. Wie schön für uns alle!